Finnish Weird: Phantastisches aus Finnland
Frankfurt, 28. Juli 2014 â Nordische Mythologie gepaart mit beiĂendem Humor samt einer Prise Grusel â dies zeichnet die junge, etwas eigenwillige Fantasy-Literatur Finnlands, dem diesjĂ€hrigen Gastland der Frankfurter Buchmesse, aus. In Finnland wird diese Literaturrichtung als eigene Gattung unter dem Label âFinnish Weirdâ gefĂŒhrt.
Als vor mehr als 150 Jahren die deutsche Literatur mit Goethe und Schiller in der Klassik ihren Höhepunkt erreichte, steckte die finnische Literatur noch in den Kinderschuhen. WĂ€hrend Goethe mit seinem phantastischen Faust kulturell breite Akzeptanz fand â und er spĂ€testens mit dieser Veröffentlichung als Vertreter der Hochliteratur galt â wurden in Finnland Texte mit unrealistischen und phantastischen ZĂŒgen, die sich an ein erwachsenes Publikum richteten, per-se als MĂ€rchen oder Eskapismus klassifiziert. Nur dann, wenn AuĂerirdische oder Geister in den Geschichten vorkamen, wurden sie als akzeptierte ErzĂ€hlliteratur fĂŒr Kinder von der Gesellschaft angenommen.
Aufgrund der vergleichsweise spÀten Entstehung einer fiktionalen Literaturgeschichte kennen junge finnische Autoren keine Genregrenzen oder Schreibtraditionen. Dadurch konnte ein wunderlicher Mix aus Science-Fiction, Fantasy, Horror, Surrealismus und mehr entstehen, der eine Hommage an finnische Folklore und Mythen darstellt. Eine Trennung der Gattungen wird von vielen finnischen Autoren als restriktiv und unnötig angesehen.
In Anlehnung an die mit âNordic Noirâ bezeichneten skandinavischen Krimis kreierte die finnische Science Fiction- und Fantasy-Autorin Johanna Sinisalo im Jahr 2010 den Begriff âFinnish Weirdâ (weird steht im Englischen fĂŒr u.a. bizarr, seltsam, eigenartig), um gerade diesem skurrilen Mix verschiedenster phantastischer Genreelemente in der finnischen Literatur einen Namen zu geben.
Im Ansatz kann âFinnish Weirdâ mit der sogenannten âSpeculative Fictionâ aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum verglichen werden. Als stilistisches Paradebeispiel gilt Johanna Sinisalos Buch Troll: Eine Liebesgeschichte, das in Finnland im Jahr 2000 erschienen ist und zu einem Boom fiktiver ErzĂ€hlungen fĂŒhrte. Seit dem begeistern sich immer mehr Leser fĂŒr Literatur, die auf das skurrile Potpourri zurĂŒckgreift und unter âFinnish Weirdâ zusammengefasst wird.
Nicht selten bewegen sich die Geschichten in realistischen Umgebungen, sind auf gewisse Weise jedoch bizarr in ihren eigentĂŒmlichen Wendungen, sodass sie sich klar von der traditionellen ErzĂ€hlweise abgrenzen. âFantastische Figuren, die nordische Sagenwelt, Mythologie und bizarre ErzĂ€hlstrĂ€nge bilden wichtige Elemente dieser fiktiven Literatur â eben ganz âFinnish Weirdâ, so Maria Antas, Literaturexpertin und Leiterin des literarischen Programms Finnland.Cool. â Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2014.
Johanna Sinisalo gestaltet âFinnish Weirdâ als Verbindung von nordischer Mythologie, Verweisen auf etablierte finnische Literatur und beiĂendem Sarkasmus. Getreu der Genrevielfalt steht bei ihr die Geschichte an erster Stelle. HĂ€ufiges Motiv und Ort der Handlung ist die Natur, in der viele Finnen Entspannung und Erholung vom Alltag suchen. Durch âFinnish Weirdâ wird diesem natĂŒrlichen Schutzwall etwas Mystisches mit einer subtil bedrohlichen und dĂŒsteren AtmosphĂ€re zugeschrieben.
Ăhnlich âweirdâ ist Emmi ItĂ€rantas Roman Der Geschmack von Wasser, der im September 2014 bei dtv in der Reihe Hanser erscheinen wird. Aufgrund einer Wasserknappheit flĂŒchtet die Protagonistin Noria in eine Höhle und findet eine geheime Wasserquelle, in dessen Folge das eigentlich rettende Kleinod im ĂŒbertragenen Sinne zur Bedrohung fĂŒr das MĂ€dchen wird. âEine der wichtigsten Aufgaben von Fiktion ist es, die Welt in einem anderen Licht zu zeigenâ, sagt die junge Autorin, der ihr Durchbruch in Finnland 2011 mit Der Geschmack von Wasser gelang.
Selbst Autoren, die bisher keine phantastischen Aspekte in ihre BĂŒcher einflieĂen lieĂen, versuchen sich immer öfter an mystischen Elementen und phantasievollen Geschichten. Neben den aufgelösten Genregrenzen vermischen sich dadurch alte Schreibgewohnheiten mit neuen Stilen und brechen auf diese Weise tradierte Muster. Die individuelle Gewichtung der verwobenen Gattungen ermöglicht den Autoren nahezu unbegrenzte Gestaltungsvielfalt. Miikko Oikkonen und Pasi Ilmari JÀÀskelĂ€inen sind weitere vielversprechende Autoren des einzigartigen Genres. Gemeinsam mit Emmi ItĂ€ranta und Johanna Sinisalo werden sie auf der Frankfurter Buchmesse âFinnish Weirdâ prĂ€sentieren und mit dem Publikum eine Achterbahnfahrt quer durch die phantastischen Genres aus der Feder von einzigartigen Autoren unternehmen.
Johanna Sinisalo
Finnisches Feuer (Auringon ydin), Roman
aus dem Finnischen von Stefan Moster
ET 19. Juli 2014
Klett-Cotta Verlag
Emmi ItÀranta
Der Geschmack von Wasser (Teemestarin kirja), Roman
aus dem Finnischen von Anu Stohner
ET September 2014
dtv Reihe Hanser
Miikko Oikkonen mit Sari Luhtanen
Nymphs 1.1. VerfĂŒhrerischer Vollmond &
Nymphs 1.2. Tödliche Liebe (Nymfit – Montpellierin legenda)
aus dem Finnischen von Alexandra Stang
ET 25. September 2014
Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch
Pasi Ilmari JÀÀskelÀinen
Lauras Verschwinden im Schnee (Lumikko ja yhdeksÀn muuta), Roman
aus dem Finnischen von Angela Plöger
ET 12. September 2014
Aufbau Verlag